Gerhard Schröder – mein ungeliebter Kanzler, mein schwieriger Genosse. Solidarität mit einem gefallenen Idol!
Gerhard Schröder – mein ungeliebter Kanzler, mein schwieriger Genosse. Solidarität mit einem gefallenen Idol!
Viele Jahre meiner Mitgliedschaft in der SPD hat mich Gerhard Schröder in meinem politischen Leben begleitet. Oft waren wir unterschiedlicher Auffassung, haben über den richtigen Weg gestritten und waren doch auch auf der gleichen Seite der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Er wird sich nicht an den jungen Wilden aus dem Unterbezirk in dem Gorleben liegt, erinnern, der sich mit ihm in Bad Bevensen eine heftige Redeschlacht lieferte. Das erste Mal bin ich Gerhard Schröder 1978 begegnet, als wir gemeinsam nach Frankfurt-Hofheim fuhren, um ihn zum Bundesvorsitzenden der Jusos zu wählen. Unvergessen der dortige Auftritt von Egon Bahr, der uns als Bundesgeschäftsführer alle aus der SPD werfen wollte, wenn wir den zuvor ausgeschlossenen Klaus-Uwe Benneter sprechen lassen würden. Es fand sich ein Kompromiss, Benneter durfte sprechen und Gerhard Schröder wurde Juso-Bundesvorsitzender. Ebenfalls unvergessen der große Jubel, als Schröder gewählt war. Der Jubel, der Schröder stets begleitete, solange er so viele Menschen zu Erfolgen geführt hat. War nicht der amtierende SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil einst Mitarbeiter in Schröders Büro und hat von dessen Popularität profitiert? Haben nicht viele derjenigen, die heute in Hannover behaupten, Schröder sei in der SPD isoliert, so manches Mal den Jubel fast schon in Führerkult abgleiten lassen? Wo waren die Protagonisten eigentlich, als Schröder durch seinen damaligen Geschäftsführer Schumacher die Eingleisigkeit in die Kommunalverfassung jubeln ließ?
Gerhard Schröder wird aber auch immer als derjenige in Erinnerung bleiben, der eben nicht in den Krieg gezogen ist, als der große Druck auf allen lastete. Er hat den Ausstieg vorangetrieben und tatsächlich erfolgreich verhandelt. Er hat dafür gesorgt, dass zig tausende von Frauen aus der Sozialhilfe genommen und Zugang zu Arbeitsmarktdienstleistungen bekamen. Er setzte die Forderung aus dem kommunalen Raum durch Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammenzuführen und so die Kommunen im Land zu entlasten.
Ohne Frage ist die Rolle Schröders bei diversen Gasgeschäften mit seinem Freund Putin mehr als zu hinterfragen. Festzustellen ist allerdings, dass er das nie für die SPD sprechend getan hat. Ja, auch ich hätte mir klarere Aussagen gegen den Überfall auf die Ukraine gewünscht. Dass es allerdings nunmehr geradezu einen Wettbewerb zu geben scheint, um Schröder aus der SPD zu entfernen, wirft eher ein ganz besonderes Licht auf die SPD heutiger Tage. Es gab Zeiten, da wurde in und mit der SPD diskutiert. Positionen, die auf den ersten Blick gegensätzlicher kaum sein konnten, wurden ausdiskutiert und oft zu einer Haltung zusammengeführt, die ihre Wirkung in die Gesellschaft entfalten konnte. Und heute – heute wird versucht über Formate Inhalte zu ersetzen. Und es wird versucht Handlungsfähigkeit dadurch zu demonstrieren, dass man jemanden wie Gerhard Schröder seine Mitgliedschaft zu nehmen. Das Ergebnis der Hannoveraner Schiedskommission war vorherzusehen und es ist korrekt. Da hilft es auch nicht, wenn es als „juristisch“ herabgewürdigt wird. Was ist das überhaupt für eine Klassifizierung das Ergebnis einer demokratisch gewählten, dem Recht verpflichteten Institution zu herabzuwürdigen?
Gerhard Schröder war sicherlich oft nicht mein Kanzler, er war ein schwieriger Genosse jederzeit und doch war er mir stets lieber als Menschen wie Lindner oder März. Er war mir als schlechter Schröder immer lieber als ein gute Helmut Kohl.
